Twitter reagiert zögernd auf Attacken gegen Frauen

bbm /  Frauen werden im Netzwerk Twitter beschimpft und bedroht. «Freie Meinungsäusserung» ist wichtiger als Sicherheit der Nutzerinnen.

Der Kurznachrichtendienst Twitter reagiert nur zögerlich auf frauenfeindliche Attacken. Der Konzern begründet dies mit der «freien Meinungsäusserung». Diese Politik, die aus Frauensicht nicht akzeptabel ist, hat Caroline Criado Perez öffentlich gemacht. Frauen dürften nicht unter dem Deckmantel der «freien Meinungsäusserung» eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.

Morddrohungen wegen Engagement für Frauen
Die britische Journalistin hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die britische Schriftstellerin Jane Austen ab 2017 auf der Zehn-Pfund-Banknote zu sehen sein wird. Sie wurde deshalb über Twitter wüst beschimpft, mit Vergewaltigung und Mord bedroht und ihre Privatadresse veröffentlicht.
Ähnlich erging es der Labour-Abgeordneten Stella Creasy, die sich ebenfalls für die Frau auf der Banknote stark gemacht hatte. Caroline Criado Perez: «Es macht mich wütend, dass Frauen ihren Einsatz damit bezahlen, 24 Stunden lang Vergewaltigungsdrohungen zu bekommen.»
Wer hinter den Drohbotschaften steckt, ist schwer herauszufinden, da zur Anmeldung bei Twitter eine E-Mailadresse genügt. Gemäss den internen Regeln des Netzwerkes ist jeder Nutzer für die Inhalte selber verantwortlich. «Wir kontrollieren die Inhalte unserer Nutzer nicht aktiv und zensieren diese grundsätzlich nicht.» Ausgenommen sind explizite, spezifische Gewaltandrohungen und strafrechtlich verfolgbare Aussagen. In solchen Fällen behält Twitter es sich vor, ein Benutzerkonto ohne Ankündigung sofort zu löschen. Doch dies passiert selten, da weltweit täglich fast 400 Millionen Kurznachrichten veröffentlicht werden und eine Kontrolle deshalb zu aufwändig ist.
Der Labour-Abgeordneten Stella Creasy erteilte Twitter den Rat, sie könne in ihren persönlichen Einstellungen die Täter sperren. Stella Creasy: «Die Drohung mit einer Vergewaltigung ist nicht eine Frage des schlechten Benehmens, sondern ein kriminelles Verhalten, das strafrechtlich verfolgt werden muss.»

Twitter reagierte erst nach Boykott
Caroline Criado Perez erstattete Anzeige gegen Unbekannt und machte die Attacken öffentlich. Als das Netzwerk nicht reagierte, verlangte eine Online-Petition, das komplizierte Melde-Verfahren für strafrechtlich relevante Inhalte zu erleichtern. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer boykottierten zudem den Kurznachrichtendienst während 24 Stunden. Schliesslich entschuldigte sich Tony Wang, Twitter-Chef von Grossbritannien, bei den Twitter-Nutzerinnen. Beschimpfungen und Drohungen seien «nicht akzeptabel». Das Netzwerk werde dies in seinen Nutzungsregeln klarstellen. Mittlerweile hat Twitter einen Missbrauchs-Button eingerichtet, der das bisher komplizierte Melde-Verfahren erleichtert.
Betroffene verlangen mehr Engagement von Twitter, berichtet der «Guardian». Kolumnistin Hadley Freeman schrieb, Twitter verdiene viel Geld und müsse dieses auch in mehr Sicherheit für die Nutzerinnen investieren. Die Autorin Zerlina Maxwell kritisiert, dass Nutzer, deren Konto Twitter allenfalls sperrt, unter dem Deckmantel der Anonymität problemlos ein neues eröffnen können.


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