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Seyran Ates kämpft gegen patriarchale Strukturen. © NDR

Weitere Moscheen ohne patriarchale Strukturen geplant

fs /  Moscheegemeinden ohne Geschlechterhierarchie stossen auf heftige Kritik, aber auch auf Zustimmung. Die Initiantin spricht von einer «Revolution».

Seyran Ates, die in Berlin eine liberale Moscheegemeinde gegründet hat, will innerhalb eines Jahres in allen europäischen Hauptstädten Moscheen ohne patriarchale Strukturen eröffnen. Die türkischstämmige Publizistin und Rechtsanwältin war deshalb kürzlich in London. «Ich bin nicht allein mit dieser Idee. Es ist eine Bewegung, eine Revolution im Gang», sagte sie dem «Guardian».

«Schweigende Mehrheit der Muslime»
In der Berliner Moschee beten Frauen und Männer gemeinsam. Das Freitagsgebet sprechen ein Imam und eine Imamin. Nikab und Burka sind nach einem anfänglichen Verbot mittlerweile erlaubt. Allerdings müssen die Trägerinnen am Eingang ihr Gesicht zeigen. Der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi hat angekündigt, auch in Freiburg eine liberale Gemeinde zu gründen. Sie soll «die schweigende Mehrheit der Muslime erreichen», zitiert ihn die «Welt».

«Patriarchale Verkrustung»
Bei konservativen Muslimen ist das gemeinsame Gebet von Frauen und Männern auf heftige Kritik gestossen. Islamische Autoritäten im In- und Ausland sprachen von einem «Angriff auf die Religion». Die Drohungen gegen liberale Musliminnen und Muslime haben laut dem Nachrichtensender «N24» dazu geführt, dass sich immer weniger Menschen in die Moschee trauen. Auch die Muslimverbände lehnen die Gleichberechtigung in den Gemeinden ab.
Laut Michael Meier, Religionsexperte beim «Tagesanzeiger», zeigt der Berliner Moschee-Konflikt exemplarisch, dass die Reformunfähigkeit des Islam in erster Linie auf behaupteten Vorrechten der Männer beruht. Meier verweist darauf, dass auch die katholische Amtskirche Frauen von Leitungsämtern und der Definitionsgewalt in Glaubensfragen «kategorisch» ausschliesst. «Die grössten Religionsgemeinschaften der Welt verharren in patriarchaler Verkrustung.»

Im Visier von Islamisten und Nationalisten
Seyran Ates kämpft seit Jahrzehnten gegen häusliche Gewalt, «Ehrenmorde» und Zwangsverheiratung. Sie ist deshalb im Visier von Fundamentalisten und türkischen Nationalisten. Vor über dreissig Jahren wurde sie bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Seit zehn Jahren hat sie Polizeischutz. Dieser ist aufgrund der Hassmails und Morddrohungen jetzt verstärkt worden.

Liberale Moschee in der Schweiz
In der Schweiz will der Informatiker Kerem Adigüzel eine liberale Moschee gründen, in der Frauen und Männer gemeinsam beten und Homosexuelle willkommen sind. Der 30-Jährige mit türkischen Wurzeln ist in der Schweiz aufgewachsen. Mit der Moschee will er Gräben überwinden, sagte er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Radiosender SRF: «In unserer Moschee soll man frei beten können, Frauen und Männer gemeinsam. Und wir wollen auch Begegnungen zwischen Sunniten und Schiiten ermöglichen.»


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