«Herr Professorin: Sie lehrt Recht»

Barbara Marti ©

Barbara Marti /  Folgende Floskel sind wir gewohnt: «Anmerkung: Zur Vereinfachung brauchen wir die weibliche Form. Männer sind immer mit gemeint.»

Jetzt kehrt die Universität Leipzig den Spiess um: Sie verwendet eine Zeitlang die weibliche Form, wenn sowohl Frauen wie Männer gemeint sind.
Und schon geht ein Sturm der Entrüstung durch die Medien. Von «Irrsinn» und «Gender-Wahn» ist die Rede. Die «Leipziger Verhunzung» verstosse «gegen die Struktur der Sprache», ärgert sich der (männliche) Redaktor des Tages-Anzeigers in seinem heutigen Kommentar.
Ganz anders der ebenfalls männliche Kommentator der Süddeutschen Zeitung:
Ein einfaches Gedankenspiel lege nahe, dass das Leipziger Experiment kein sinnloser Versuch sei: «Was wäre, wenn in unserer Gesellschaft ab sofort grundsätzlich und überall die weibliche Form verwendet würde? Mit dem Anspruch – und dem gelegentlichen Hinweis darauf -, auch Männer seien damit angesprochen?»

Dieser Vorschlag sei nicht absurd. So hätten wir es bisher mit der männlichen Form gehandhabt – aber mit welchem Recht? «Die Sprache der Gegenwart spiegelt hier nur die historische Entwicklung wider, die geprägt war von einer massiven Unterdrückung der Frau.» Doch wir hätten heute den Anspruch, dass alle Menschen unabhängig vom Geschlecht gleich behandelt werden müssten in Bezug auf ihre Chancen, Rechte und Pflichten – unabhängig vom Geschlecht.

«Kein Recht gibt es dagegen darauf, diskriminierende Sprachgewohnheiten lebendig zu halten, nur weil es immer schon so war», meint der Kommentator. Objektiv betrachtet spreche prinzipiell nur ein einziges Argument dagegen, männliche Nomen eins zu eins durch weibliche Nomen zu ersetzen: Die sprachliche Diskriminierung der Frau würde ersetzt durch eine sprachliche Diskriminierung des Mannes!
«Doch genau das, worüber sich die meisten Männer mit Sicherheit echauffieren würden, ist für Frauen der Normalzustand. Das ist die alltägliche Ungerechtigkeit, die Anmassung, die Frauen in unserer Gesellschaft neben vielen anderen Diskriminierungen noch immer zugemutet wird. Hier Einspruch zu erheben hat nichts mit Ideologie zu tun.»
Dem ist nichts beizufügen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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